Samstag, 21. Juni 2008
Reisebericht Nordsee: 15. Juni 2008
thomweb, 21:46h
Die Städten seiner Kindheit aufzusuchen, dass bedeutet, früheren Geschichten nachzuforschen, früheren Träumen. Und Bilder aus dieser Zeit wieder vor Augen zu führen.
In der nun zu Ende gehenden Woche waren wir an der Nordseeküste. Dies ist ein Reisebericht, der sowohl die jetzige Lage als auch die vor rund 30 Jahren beschreibt.
In den 1970er Jahren war ich jeden Sommer an der Nordseeküste im Urlaub. Jeden Sommer im selben Ort, in Wangerland, zwischen dem nordwestlichen Ende des Jadebusens, der Küste mit den vorgelagerten Inseln Norderney und Wangerooge und nördlich von Wilhelmshaven. Fast jeden Sommer in der gleichen Ferienwohnung in einem Bungalow in Waddewarden. Und fast jeden Tag am Strand von Hooksiel. Seit 1980, dem letzten Aufenthalt an diesem Teil der Nordseeküste, war ich noch einige Male hier. Dieses mal ging es mir aber darum, die Unterschiede seitdem zu erkunden.
Schon bei der Anreise zeigen sich die Unterschiede. Frühere Erinnerungen gehen in die Richtung, dass wir zu meiner Tante nach Vreden im Münsterland gefahren sind. Dann mit fünf Menschen, davon drei Erwachsenen, im einem VW Käfer über die B70 nach Norden. Eng war das jedes Mal. Und ich erinnere mich noch daran, dass wir bei voller Fahrt einen Koffer verloren haben. Denn natürlich passt in den Kofferraum eines Käfer (vorne!) nicht viel rein. So segelte denn hinter uns ein Koffer über die Straße. Da seinerzeit eine erheblich geringere Verkehrsdichte herrschte als heute und der Koffer offensichtlich sehr stabil war, passierte nicht viel.
Wie anders die gleiche Strecke im Jahr 2008. Im Radio Staumeldungen ohne Ende, und das ohne den Beginn der Ferien. Auf der A1 wird eine Brücke abgerissen, die Staustrecke ist das Wochenende gesperrt. Die A30 ist inzwischen durchgebaut, die Lücke im Emsland geschlossen. Wir fahren vorbei am Emsland, das sich beim letzten Urlaub sechs Jahre zuvor als langweilig herausstellte. Gemütlich mit knapp 200 Sachen auf der linken Spur, mit einem mickerigen Verbrauch, den der Käfer nicht einmal bei Tempo 30 hätte einstellen können. Auf einer der leersten Autobahnen Deutschlands.
Eine Sache hat sich sehr deutlich sichtbar geändert. Ab einer Entfernung von rund 100 km zur Küste ist Norddeutschland gepflastert mit Windkraftanlagen. Haufenweise stehen Windparks herum und bringen uns natürlichen Strom. Langsam erahne ich, dass es Menschen gibt, die sich die freie Sicht nicht nehmen lassen wollen und dagegen ihre Anwälte in Marsch setzen, so wie es die Bundeskanzlerin wollte.
Dann sollen sich diese Leute allerdings auch damit abfinden, dass sie ein Kernkraftwerk vor die Nase gesetzt bekommen. Und in dieser Branche mehr Leute beschäftigt sind als bei den nuklearen Gefährdern.
Nun denn, zurück in den Alltag. Eine neue Umgehungsstraße bringt uns an Jever vorbei. Die Wohnung, in der wir für eine Woche unser Lager aufschlagen, hat Fliegengitter an den Fenstern. Eine Sache, die ich mir in der Jugend ständig gewünscht habe.
Wenn man die Stätten aufsucht, die man als Kind gesehen hat, dann kommt einem alles meist viel kleiner vor. Man stand vor einem Haus und fand es riesig. Vielen geht das so. Hier ist es anders. Ich habe das Wachsen eines Landes miterlebt. Und wo ich mit 10 Jahren über ein Stück Schlick sehen konnte, wachsen heute Bäume in die Höhe.
Unsere ersten Sommer haben wir am Strand in Hooksiel verbracht, an der Straße nach Horumersiel, die sich in zwei Fahrspuren teilte. Heute kann man dort mit dem Auto gar nicht mehr halten. Von dort aus habe ich die Bagger sehen können, die den Deich am Vosslapper Watt geschlossen haben. Ein Stück Landgewinnung wurde gerade abgeschlossen. Später entstand dort ein Werk der ICI, chemische Industrie direkt am Jadebusen. Früher schon streckten sich die Anleger des Ölhafens in den Jadebusen, die Pipeline führt das Öl bis herunter ins Ruhrgebiet. Ich erinnere mich auch an große Silos, die im neuen Hafen von Hooksiel lagen, um im Chemiewerk eingebaut zu werden.
Die Fahrt am Vosslapper Watt zeigt, dass nicht alles seit der Kindheit geschrumpft ist. Die Bäume sind in den letzten 30 Jahren ordentlich in die Höhe gewachsen. Aus dem öden Land ist ein recht angenehmer, vor Wind und Wetter geschützter Platz geworden, da muss man den Planern wirklich ein Kompliment aussprechen.
Vielleicht ist es mit Idylle ja bald vorbei, wenn hier jeden Tag 2.000 Container durchrauschen.
In den Marinas des Hookmeer, wie sie die Fläche aus Brackwasser inzwischen getauft haben, liegen schätzungsweise mehrere Hundert Jachten. Schiffe und Boote verschiedener Größe. Und auch hier hält langsam der Fortschritt Einzug, ich sehe mehrere Katamarane.
In Hooksiel selber haben einige Umbauarbeiten stattgefunden. Die große Tankstelle am neuen Kreisverkehr ist dicht. Alle Anzeigen für Treibstoffe auf Null. Aber leider sind auch die Tanks leer.
Die Durchgangsstraße durch Hooksiel ist mittlerweile zu einer Einbahnstraße geworden. Der Hafen präsentiert sich im Vergleich zu meinem letzteren Besuch hier oben aufgeräumt. Letztes Mal lag noch ein ziemlich verrotteter Ponton hier herum. Mittlerweile liegen hier nur noch Boote, die nicht mehr aus der Zeit vor dem II. Weltkrieg stammen. Und die beiden Fischgerichte, die wir bei Siggi essen, sind nicht nur halb so teuer wie in Köln, sie sind auch noch exzellent.
In der nun zu Ende gehenden Woche waren wir an der Nordseeküste. Dies ist ein Reisebericht, der sowohl die jetzige Lage als auch die vor rund 30 Jahren beschreibt.
In den 1970er Jahren war ich jeden Sommer an der Nordseeküste im Urlaub. Jeden Sommer im selben Ort, in Wangerland, zwischen dem nordwestlichen Ende des Jadebusens, der Küste mit den vorgelagerten Inseln Norderney und Wangerooge und nördlich von Wilhelmshaven. Fast jeden Sommer in der gleichen Ferienwohnung in einem Bungalow in Waddewarden. Und fast jeden Tag am Strand von Hooksiel. Seit 1980, dem letzten Aufenthalt an diesem Teil der Nordseeküste, war ich noch einige Male hier. Dieses mal ging es mir aber darum, die Unterschiede seitdem zu erkunden.
Schon bei der Anreise zeigen sich die Unterschiede. Frühere Erinnerungen gehen in die Richtung, dass wir zu meiner Tante nach Vreden im Münsterland gefahren sind. Dann mit fünf Menschen, davon drei Erwachsenen, im einem VW Käfer über die B70 nach Norden. Eng war das jedes Mal. Und ich erinnere mich noch daran, dass wir bei voller Fahrt einen Koffer verloren haben. Denn natürlich passt in den Kofferraum eines Käfer (vorne!) nicht viel rein. So segelte denn hinter uns ein Koffer über die Straße. Da seinerzeit eine erheblich geringere Verkehrsdichte herrschte als heute und der Koffer offensichtlich sehr stabil war, passierte nicht viel.
Wie anders die gleiche Strecke im Jahr 2008. Im Radio Staumeldungen ohne Ende, und das ohne den Beginn der Ferien. Auf der A1 wird eine Brücke abgerissen, die Staustrecke ist das Wochenende gesperrt. Die A30 ist inzwischen durchgebaut, die Lücke im Emsland geschlossen. Wir fahren vorbei am Emsland, das sich beim letzten Urlaub sechs Jahre zuvor als langweilig herausstellte. Gemütlich mit knapp 200 Sachen auf der linken Spur, mit einem mickerigen Verbrauch, den der Käfer nicht einmal bei Tempo 30 hätte einstellen können. Auf einer der leersten Autobahnen Deutschlands.
Eine Sache hat sich sehr deutlich sichtbar geändert. Ab einer Entfernung von rund 100 km zur Küste ist Norddeutschland gepflastert mit Windkraftanlagen. Haufenweise stehen Windparks herum und bringen uns natürlichen Strom. Langsam erahne ich, dass es Menschen gibt, die sich die freie Sicht nicht nehmen lassen wollen und dagegen ihre Anwälte in Marsch setzen, so wie es die Bundeskanzlerin wollte.
Dann sollen sich diese Leute allerdings auch damit abfinden, dass sie ein Kernkraftwerk vor die Nase gesetzt bekommen. Und in dieser Branche mehr Leute beschäftigt sind als bei den nuklearen Gefährdern.
Nun denn, zurück in den Alltag. Eine neue Umgehungsstraße bringt uns an Jever vorbei. Die Wohnung, in der wir für eine Woche unser Lager aufschlagen, hat Fliegengitter an den Fenstern. Eine Sache, die ich mir in der Jugend ständig gewünscht habe.
Wenn man die Stätten aufsucht, die man als Kind gesehen hat, dann kommt einem alles meist viel kleiner vor. Man stand vor einem Haus und fand es riesig. Vielen geht das so. Hier ist es anders. Ich habe das Wachsen eines Landes miterlebt. Und wo ich mit 10 Jahren über ein Stück Schlick sehen konnte, wachsen heute Bäume in die Höhe.
Unsere ersten Sommer haben wir am Strand in Hooksiel verbracht, an der Straße nach Horumersiel, die sich in zwei Fahrspuren teilte. Heute kann man dort mit dem Auto gar nicht mehr halten. Von dort aus habe ich die Bagger sehen können, die den Deich am Vosslapper Watt geschlossen haben. Ein Stück Landgewinnung wurde gerade abgeschlossen. Später entstand dort ein Werk der ICI, chemische Industrie direkt am Jadebusen. Früher schon streckten sich die Anleger des Ölhafens in den Jadebusen, die Pipeline führt das Öl bis herunter ins Ruhrgebiet. Ich erinnere mich auch an große Silos, die im neuen Hafen von Hooksiel lagen, um im Chemiewerk eingebaut zu werden.
Die Fahrt am Vosslapper Watt zeigt, dass nicht alles seit der Kindheit geschrumpft ist. Die Bäume sind in den letzten 30 Jahren ordentlich in die Höhe gewachsen. Aus dem öden Land ist ein recht angenehmer, vor Wind und Wetter geschützter Platz geworden, da muss man den Planern wirklich ein Kompliment aussprechen.
Vielleicht ist es mit Idylle ja bald vorbei, wenn hier jeden Tag 2.000 Container durchrauschen.
In den Marinas des Hookmeer, wie sie die Fläche aus Brackwasser inzwischen getauft haben, liegen schätzungsweise mehrere Hundert Jachten. Schiffe und Boote verschiedener Größe. Und auch hier hält langsam der Fortschritt Einzug, ich sehe mehrere Katamarane.
In Hooksiel selber haben einige Umbauarbeiten stattgefunden. Die große Tankstelle am neuen Kreisverkehr ist dicht. Alle Anzeigen für Treibstoffe auf Null. Aber leider sind auch die Tanks leer.
Die Durchgangsstraße durch Hooksiel ist mittlerweile zu einer Einbahnstraße geworden. Der Hafen präsentiert sich im Vergleich zu meinem letzteren Besuch hier oben aufgeräumt. Letztes Mal lag noch ein ziemlich verrotteter Ponton hier herum. Mittlerweile liegen hier nur noch Boote, die nicht mehr aus der Zeit vor dem II. Weltkrieg stammen. Und die beiden Fischgerichte, die wir bei Siggi essen, sind nicht nur halb so teuer wie in Köln, sie sind auch noch exzellent.
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Freitag, 30. Mai 2008
Milchkrieg
thomweb, 01:50h
Die Sache mit der Landwirtschaft setzt sich gerade im RL (real life, auch bekannt als die wahre Wahrheit da draussen) fort. Der Verfall der Milchpreise führt jetzt endlich dazu, dass die Bauern aufbegehren und in den Streik getreten sind. Endlich wehrt sich mal jemand gegen das Diktat der Händler, die die Kräfte des Marktes ausser Kraft gesetzt haben.
Man stelle sich vor. Heinrich Sobeck macht eine Reportage über eine Molkerei in Köln-Nippes. Plötzlich ein Hupkonzert. Die Geldernstraße ist dicht. Hunderte von Kühen werden von ihren verarmten Besitzern in die Molkerei getrieben. Schüsse fallen. Blut spritzt. Und Milch.
Ein schönes Szenario.
Man stelle sich vor. Heinrich Sobeck macht eine Reportage über eine Molkerei in Köln-Nippes. Plötzlich ein Hupkonzert. Die Geldernstraße ist dicht. Hunderte von Kühen werden von ihren verarmten Besitzern in die Molkerei getrieben. Schüsse fallen. Blut spritzt. Und Milch.
Ein schönes Szenario.
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Samstag, 24. Mai 2008
Spargelessen in Walbeck: Vergessen Sie Hartz 4!
thomweb, 03:43h
Dieser Tage habe ich die Recherchen zu meinem aktuellen Krimiprojekt abgeschlossen. Dabei hat es uns an einige Orte des Niederrheins getrieben. Einige Erlebnisse werde ich in mehreren Blogeinträgen vorstellen.
Es ist jetzt rund 10 Jahre her, dass ich das letzte Mal mit dem Rad in Walbeck war. Damals auf der Suche nach sichtbaren Resten der Fossa Eugeniana. Nun, inzwischen ist das geographische Marketing am Niederrhein deutlich besser geworden, eine Tafel dokumentiert inzwischen den Verlauf des Projektes der Spanier und auch die frühere Grenze.
Wenn man um diese Zeit in Walbeck ist, gibt es genau eine Sache, die wichtig ist: Spargel! Ich wollte endlich mal Spargel Essen genau dort, wo er gestochen wird. Und gleich beim ersten Lokal fiel ich hinten rüber: Knapp 20 EURO für eine Stange natur gekocht und ohne Beilage. Meine Herren! Da geht ungefähr die Wochenration Hartz 4 drauf! Wir waren dann in der Pizzeria und Dönerbude, meine ersten Spaghetti Kebab, eine exzellente kulinarische Erfahrung und das zu einem Preis, für den ich nicht einmal eine Stande ungeschälten Spargels bekommen hätte.
Nun denn, am Abend gab es dann Spargel aus der Grenze zwischen Grefrath und Hinsbeck. Und der war exzellent. Muss nicht immer mit teurem Ambiente sein.
Was mir noch auffiel dieser Tage: Am Niederrhein hat sich offensichtlich das Trekking Bike durchgesetzt. Diese unsäglichen Hollandräder, diese schweren Dinger, bei denen man aufrecht vom Gegenwind gebremst wird, ich habe kaum noch eins gesehen. Vielleicht ist die Menschheit doch lernfähig.
Es ist jetzt rund 10 Jahre her, dass ich das letzte Mal mit dem Rad in Walbeck war. Damals auf der Suche nach sichtbaren Resten der Fossa Eugeniana. Nun, inzwischen ist das geographische Marketing am Niederrhein deutlich besser geworden, eine Tafel dokumentiert inzwischen den Verlauf des Projektes der Spanier und auch die frühere Grenze.
Wenn man um diese Zeit in Walbeck ist, gibt es genau eine Sache, die wichtig ist: Spargel! Ich wollte endlich mal Spargel Essen genau dort, wo er gestochen wird. Und gleich beim ersten Lokal fiel ich hinten rüber: Knapp 20 EURO für eine Stange natur gekocht und ohne Beilage. Meine Herren! Da geht ungefähr die Wochenration Hartz 4 drauf! Wir waren dann in der Pizzeria und Dönerbude, meine ersten Spaghetti Kebab, eine exzellente kulinarische Erfahrung und das zu einem Preis, für den ich nicht einmal eine Stande ungeschälten Spargels bekommen hätte.
Nun denn, am Abend gab es dann Spargel aus der Grenze zwischen Grefrath und Hinsbeck. Und der war exzellent. Muss nicht immer mit teurem Ambiente sein.
Was mir noch auffiel dieser Tage: Am Niederrhein hat sich offensichtlich das Trekking Bike durchgesetzt. Diese unsäglichen Hollandräder, diese schweren Dinger, bei denen man aufrecht vom Gegenwind gebremst wird, ich habe kaum noch eins gesehen. Vielleicht ist die Menschheit doch lernfähig.
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