Sonntag, 18. Februar 2007
Was der webmaster machen will, wenn er die 50 erreicht
thomweb, 16:07h
Der Wecker summte sanft, aber bestimmt. Der Autor hieb mit der rechten Hand auf die Oberseite seines Bang-und-Olufsen-Gerätes. Er warf einen Blick auf die Anzeige. Halb 9. Noch 9 Minuten liegen bleiben. Oder 18. Du hast heute morgen keine Eile, dachte er sich und döste wieder ein.
Mit einem frisch aufgebrühten Espresso setzte er sich an den Küchentisch. Der Verlag hatte die Faxe mit den ersten Kritiken zu seinem neuen Krimi geschickt. Pornographisch, zu gewalttätig, sagte der Eine. Lahmarschig, vorhersehbar, unlogisch, der Zweite. Kritiker sind wie Eunuchen, sagte einmal ein Schriftsteller. Sie können es nicht, reden aber die ganze Zeit von nichts anderem. Bei dem einen das Vögeln, bei dem anderen das Schreiben.
Das Handy ging. Seine Tochter war dran, hatte in der Pause vor der Erdkundestunde eine Frage zu Südafrika. Der Autor versuchte aus seinem Hirn die letzten Reste seiner Kenntnisse über die alten Schild und die alten Menschen auszugraben. Er drückte sich einen neuen Espresso aus der Maschine.
Das Handy ging. Diesmal war es sein Lektor.
„Schon die ersten Kritiken gelesen?“ fragte dieser.
„Die zweifeln an meinen Fähigkeiten“, antwortete der Autor. „Ich nicht. Alles Wichser. Es gibt wenig, was ich nicht vor mir selber verantworten kann, und davon steht nichts in den Kritiken.“
„Sie haben morgen die Talk Show“, sagte der Lektor. „Hüten Sie bitte Ihre Zunge.“
„Sind Sie sicher?“ fragte der Autor nach. „Soll ich nicht wieder einen Skandal provozieren?“
„Bitte nicht!“ bat ihn der Lektor. „Wir haben die Geldstrafe immer noch nicht komplett bezahlt.“
Die Erinnerungen des Autors schweiften ab, als er die Auflegen-Taste drückte. In seinem letzten Roman versuchte er hinter die Gründe zu kommen, warum Menschen zu Terroristen werden. Die Sache war gut recherchiert, das hatten alle Kritiker neidlos anerkennen müssen. Dann aber hatte eine Schülergruppe ein Video gedreht, dass einen Katholiken, einen Hindu, einen Juden und einen Buddhisten beim Schächten eines Moslems zeigte. Und dieses Video hatte er auf seiner Webseite publiziert. Wilde Diskussionen brachen los, ein rechtsradikaler Moslem verklagte daraufhin den Verlag. Und das Buch verkaufte sich noch einmal so gut.
Der Autor schlug die Beine übereinander. In den Oberschenkeln zog es. Gestern hatte er die Strecke von seinem Ferienhaus in die Innenstadt in knapp unter drei Stunden geschafft, und 80 km in dieser Zeit im zarten Alter von fast 50 Jahren, das konnte er sich als Leistung anrechnen. Und als gutes Training für die Talkshow morgen Abend, bei der er seinen Kampfgeist brauchte.
Es war Zeit, die schlechte Laune zu vertreiben. Er warf einen Blick in seine Mailbox, der Filter warf die ganzen Hassmails, Morddrohungen und den Spam gleich in den Mülleimer. Die Bank schickte den aktuellen Kontostand, der Vorschuss des Verlags war eingetroffen, die Mundwinkel des Autors gingen in die Höhe. Er klickte sich durch das Forum seiner Webseite, dort goss ein Rechtsradikaler wieder Kübel voll Hass über alle anderen aus. Ein Klick, und sein Anwalt würde sich den Typ vorknöpfen.
Der Kaffee ging zu Ende. Er musste Bohnennachschub holen, und auch der Magen verlangte nach einer Füllung. Das Tor der Garage öffnete sich mit einem leisen Summen. Er stieg in seine Corvette ein, ließ die Fenster herunter, um das Brabbeln des von Lingenfelter auf 600 Pferde gebrachten Motors besser zu hören. Der Motor erwachte mit einem maskulinen Röhren und verfiel in einen brabbelnden Leerlauf. Der Autor legte den Wahlhebel des Getriebes auf Vorwärts und rollte aus Garage.
Tempo 30 mit 600 PS, das machte ihm Spaß. Seine Erinnerungen schweiften zurück in die Zeit, als er sich nur einen alten Sierra leisten konnte, bis dann der freundliche Mann vom Systemlotto vor der Tür stand und ihm sagte, dass er nun die nächsten 20 Jahre nicht mehr arbeiten müsste, wenn er mit Geld umgehen könnte. Oder in einem Jahr Pleite sei, wenn er mit Geld nicht umgehen könnte. Drei Tage später hatte er seinem Chef in den Hintern getreten, seinen eigenen Verlag gegründet und saß am Schreibtisch, um endlich die Ideen in den Rechner zu hacken, die ihm seit Jahren durch den Kopf gingen.
Ein lahmarschiger Benz rollte im Schritttempo vor ihm her. Bei dem Tempo würde die Sonne untergehen, bevor er den Supermarkt erreicht hätte. Er drückte das Gaspedal ins Bodenblech. Die Hinterreifen schrieben schwarze Streifen auf das Pflaster, er zirkelte seine Corvette einmal um den Benz herum und bog auf den Parkplatz ein.
Endlich neue Bohnen für die Espresso-Maschine. Es würde keine Kaffeekrise in seinem Haushalt ausbrechen. Der Autor stellte sich vor die Fleischtheke und überlegte sich, welches Tier heute dran glauben musste. Er ließ seine Hand über die weibliche Wölbung seines Bauches gleiten und entschied sich für Salattheke.
„Sind Sie nicht dieser Krimiautor?“ hörte er eine Stimme neben sich in der Schlange fragen.
„Ich trage nur diese Maske“, antwortete er. „Wie kommen Sie darauf?“
„Ich habe letztes Jahr ein Buch von Ihnen gekauft“, sagte der Mann neben ihm. „Das war ich.“
„Alter Witz“, sagte der Autor und zog seine Karte über den Scanner.
Die Sonne brannte heiß herunter, als der Autor Rotwein, Brot und Salat in die Heckklappe seiner Corvette hievte. Er überlegte, ob er nicht draußen bleiben wollte. Besser, er setzte sich in den Garten und arbeitete dort weiter. Denn am Abend hatte er noch eine Lesung in einem Gymnasium, und zu denen kamen seiner Erfahrung nach vor allem die Schülerinnen aus den Deutsch-Leistungskursen.
Mit einem frisch aufgebrühten Espresso setzte er sich an den Küchentisch. Der Verlag hatte die Faxe mit den ersten Kritiken zu seinem neuen Krimi geschickt. Pornographisch, zu gewalttätig, sagte der Eine. Lahmarschig, vorhersehbar, unlogisch, der Zweite. Kritiker sind wie Eunuchen, sagte einmal ein Schriftsteller. Sie können es nicht, reden aber die ganze Zeit von nichts anderem. Bei dem einen das Vögeln, bei dem anderen das Schreiben.
Das Handy ging. Seine Tochter war dran, hatte in der Pause vor der Erdkundestunde eine Frage zu Südafrika. Der Autor versuchte aus seinem Hirn die letzten Reste seiner Kenntnisse über die alten Schild und die alten Menschen auszugraben. Er drückte sich einen neuen Espresso aus der Maschine.
Das Handy ging. Diesmal war es sein Lektor.
„Schon die ersten Kritiken gelesen?“ fragte dieser.
„Die zweifeln an meinen Fähigkeiten“, antwortete der Autor. „Ich nicht. Alles Wichser. Es gibt wenig, was ich nicht vor mir selber verantworten kann, und davon steht nichts in den Kritiken.“
„Sie haben morgen die Talk Show“, sagte der Lektor. „Hüten Sie bitte Ihre Zunge.“
„Sind Sie sicher?“ fragte der Autor nach. „Soll ich nicht wieder einen Skandal provozieren?“
„Bitte nicht!“ bat ihn der Lektor. „Wir haben die Geldstrafe immer noch nicht komplett bezahlt.“
Die Erinnerungen des Autors schweiften ab, als er die Auflegen-Taste drückte. In seinem letzten Roman versuchte er hinter die Gründe zu kommen, warum Menschen zu Terroristen werden. Die Sache war gut recherchiert, das hatten alle Kritiker neidlos anerkennen müssen. Dann aber hatte eine Schülergruppe ein Video gedreht, dass einen Katholiken, einen Hindu, einen Juden und einen Buddhisten beim Schächten eines Moslems zeigte. Und dieses Video hatte er auf seiner Webseite publiziert. Wilde Diskussionen brachen los, ein rechtsradikaler Moslem verklagte daraufhin den Verlag. Und das Buch verkaufte sich noch einmal so gut.
Der Autor schlug die Beine übereinander. In den Oberschenkeln zog es. Gestern hatte er die Strecke von seinem Ferienhaus in die Innenstadt in knapp unter drei Stunden geschafft, und 80 km in dieser Zeit im zarten Alter von fast 50 Jahren, das konnte er sich als Leistung anrechnen. Und als gutes Training für die Talkshow morgen Abend, bei der er seinen Kampfgeist brauchte.
Es war Zeit, die schlechte Laune zu vertreiben. Er warf einen Blick in seine Mailbox, der Filter warf die ganzen Hassmails, Morddrohungen und den Spam gleich in den Mülleimer. Die Bank schickte den aktuellen Kontostand, der Vorschuss des Verlags war eingetroffen, die Mundwinkel des Autors gingen in die Höhe. Er klickte sich durch das Forum seiner Webseite, dort goss ein Rechtsradikaler wieder Kübel voll Hass über alle anderen aus. Ein Klick, und sein Anwalt würde sich den Typ vorknöpfen.
Der Kaffee ging zu Ende. Er musste Bohnennachschub holen, und auch der Magen verlangte nach einer Füllung. Das Tor der Garage öffnete sich mit einem leisen Summen. Er stieg in seine Corvette ein, ließ die Fenster herunter, um das Brabbeln des von Lingenfelter auf 600 Pferde gebrachten Motors besser zu hören. Der Motor erwachte mit einem maskulinen Röhren und verfiel in einen brabbelnden Leerlauf. Der Autor legte den Wahlhebel des Getriebes auf Vorwärts und rollte aus Garage.
Tempo 30 mit 600 PS, das machte ihm Spaß. Seine Erinnerungen schweiften zurück in die Zeit, als er sich nur einen alten Sierra leisten konnte, bis dann der freundliche Mann vom Systemlotto vor der Tür stand und ihm sagte, dass er nun die nächsten 20 Jahre nicht mehr arbeiten müsste, wenn er mit Geld umgehen könnte. Oder in einem Jahr Pleite sei, wenn er mit Geld nicht umgehen könnte. Drei Tage später hatte er seinem Chef in den Hintern getreten, seinen eigenen Verlag gegründet und saß am Schreibtisch, um endlich die Ideen in den Rechner zu hacken, die ihm seit Jahren durch den Kopf gingen.
Ein lahmarschiger Benz rollte im Schritttempo vor ihm her. Bei dem Tempo würde die Sonne untergehen, bevor er den Supermarkt erreicht hätte. Er drückte das Gaspedal ins Bodenblech. Die Hinterreifen schrieben schwarze Streifen auf das Pflaster, er zirkelte seine Corvette einmal um den Benz herum und bog auf den Parkplatz ein.
Endlich neue Bohnen für die Espresso-Maschine. Es würde keine Kaffeekrise in seinem Haushalt ausbrechen. Der Autor stellte sich vor die Fleischtheke und überlegte sich, welches Tier heute dran glauben musste. Er ließ seine Hand über die weibliche Wölbung seines Bauches gleiten und entschied sich für Salattheke.
„Sind Sie nicht dieser Krimiautor?“ hörte er eine Stimme neben sich in der Schlange fragen.
„Ich trage nur diese Maske“, antwortete er. „Wie kommen Sie darauf?“
„Ich habe letztes Jahr ein Buch von Ihnen gekauft“, sagte der Mann neben ihm. „Das war ich.“
„Alter Witz“, sagte der Autor und zog seine Karte über den Scanner.
Die Sonne brannte heiß herunter, als der Autor Rotwein, Brot und Salat in die Heckklappe seiner Corvette hievte. Er überlegte, ob er nicht draußen bleiben wollte. Besser, er setzte sich in den Garten und arbeitete dort weiter. Denn am Abend hatte er noch eine Lesung in einem Gymnasium, und zu denen kamen seiner Erfahrung nach vor allem die Schülerinnen aus den Deutsch-Leistungskursen.
... comment