Freitag, 6. Oktober 2006
Eine Stunde Ökosau spielen: meine erste Fahrt in einer Corvette
26 Jahre ist es jetzt her, dass ich eine Zeitschrift aufschlug und darin ein Auto sah, dass mich von der Form her direkt ansprach. Flach, breit, die Form einer Cola-Flasche. Das damalige Modell der Corvette, wie es seit den späten 60er Jahren gebaut wurde.

Das Internet machte es möglich, denn kaum 26 Jahre nach dem ersten Blickkontakt gab es die Möglichkeit, die aktuelle Version der Corvette Probe zu fahren. Inzwischen 3 Generationen weiter, hatte ich die Jahre hindurch mitverfolgt, wie die Amischleuder aus Plastik von der Zuhälterkiste zum richtigen Sportwagen avancierte.

Hatte ich eine Chance? Auf diese Mail gab es bestimmt Hunderte, Tausende von Bewerbern. Da konnte ich nicht hoffen.

Vor drei Wochen meldete sich dann das Marketing. Ich sollte eine Termin für meine persönliche Probefahrt vereinbaren. Ha! Es klappte also doch!

Als ich am Sonntag Mittag nach Ehrenfeld fuhr, hatte ich Lampenfieber. War das jetzt die Erfüllung eines Traumes? Oder sollte jetzt die komplette Desillusionierung nach 26 Jahre Fandasein erfolgen? Konnte ich mit der Kiste jetzt überhaupt zurecht kommen? Da musste ich jetzt durch. Der Sobeck in mir erwachte.

Mein Instruktor musste erst einmal nachfragen, wie man die verschiedenen Alarme ausstellte, die ich beim Einsteigen ausgelöst hatte. Da gab es mehrere Schalter. Kurze Einweisung ins Fahrzeug. Angurten. Sitz einstellen. Spiegel einstellen. Zwei Wochen zuvor, in Düsseldorf, hatte es ohne Ende geregnet (Har Har Har...). In Köln natürlich dicker Sonnenschein. Wir fuhren offen.

Starten mit Druck auf den Startknopf. Der V8 erwacht, die Zeiger von Drehzahlmesser und Tacho gehen einmal zum Anschlag und zurück. Ersten Gang einlegen. Na, wenigstens habe ich sie nicht abgewürgt. Gaaaanz langsam über den Innenhof vom Autohaus rollen. Man sitzt doch ziemlich weit hinten. Es gelingt mir die ganze Stunde nicht, das Spiel mit der Kupplung beim Anfahren in den Griff zu bekommen, ohne dass die Vette stuckernd anfährt.

Zweimal links auf den Gürtel. Ich sitze zum ersten Mal in dieser breiten Kiste, und ausgerechnet auf den ersten Kilometern geht es über das engste Stück Gürtel. Mit Straßenbahnschienen der 13. Es holpert ein wenig, aber die Stöße kommen nur leicht durch. Das soll ein Sportfahrwerk sein? Das ist genau das, was ich meinem Nissan immer gewünscht habe. Die Corvette ist also nicht übermäßig hart, liegt aber satt und sicher auf der Straße. Die Ingenieure aus den Staaten hatten ihre Hausaufgaben in Deutschland gemacht.

Ab auf die A57. Mein Instruktor sagt, das Tempolimit ist gleich zu Ende. Das Schild mit den durchgestrichenen Zahlen. Vierter Gang, ich trete das Gaspedal durch. Der V8 röhrt dezent auf. Das Wehen des Fahrtwindes in den Haaren steigt Sekunde um Sekunde. Und dann der Druck im Rücken. Mann! Kaum ein Augenblick, und ich habe die 180 überschritten. Was für ein Anzug!

Ein Konvoi vor mir hemmt meinen Vorwährtsdrang. Dann geht's auch schon runter von der Autobahn.

Die nächste halbe Stunde führt mich durch Radfahrers Feindgebiet, die offene Agrarlandschaft der Bergheimer. Hinter einem Kreisverkehr eine ältere Frau in einem Mittelklassebenz, E-Klasse. Freie Bahn gegenüber. Runter in den zweiten Gang. Vollgas. Ein Brummen, und ich bin vorbei. Und egal wie schnell oder langsam man fährt, von hinten drängt keiner.

Eine Viertelstunde danach sind wir wieder in Ehrenfeld.

War das jetzt die Zerstörung einer Illusion? Nein. Ganz im Gegenteil. Die Kiste ist alltagstauglich und wird mit einem Tritt aufs Gaspedal zu einer wilden Bestie. Es war sogar noch besser, als ich mir das vorgestellt hatte. Und ich komme besser als je gelaunt nach Hause.

Das war fast so gut wie die Abfahrt mit dem Rennrad an einem normalen Wochentag von der Blauen Lagune und Rebock hinunter Richtung Jugendherberge Hinsbeck.

Ich glaube, ich fülle gleich mal einen Lottoschein aus.

... comment